Über die Veranstaltung
to grass
Florian Schlessmann nähert sich der Gen Z auf einer ästhetischen Ebene. Ausgehend von einem Kanon heterogener Referenzen - vom viktorianischen Gedicht bis zur Goblincore-Bewegung, von Videospielen bis zur postkapitalistischen Literatur - konstruiert der Künstler eine Bühnenpersönlichkeit: eine Neuinterpretation des Goblins als subversive Figur, die sich der Gesellschaft nicht anpassen kann.
to grass hat die Form einer experimentellen Oper in musikalischer Zusammenarbeit mit dem Kollektiv Czarnagora.
Florian Schlessmann ist ein deutscher Künstler, der zwischen Augsburg und Zürich lebt. Caterina De Nicola, Jamira Estrada, Miao Zhao und Valentina Demicheli sind Mitglieder des in Zürich ansässigen Kollektivs und Labels Czarnagora.
Türöffnung 20 Uhr
Performance 20.30 Uhr
(Dauer ca 40 Min)
Bar Las Puertas bis 24 Uhr geöffnet.
Eintritt Erw. Fr. 20.-
Members | Stud. | Jgdl. Fr. 15.-
Das Projekt "to grass",von Florian Schlessmann erklärt
Abstract
Mit dem Projekt „to grass“begebe ich mich auf eine Recherche, bei der ich mich auf ästhetischer Ebene mit der Generation Z beschäftige. Basierend auf der Figur des Goblins und deren heutiger Ausprägung, werde ich mich auf inhaltlicher Ebene mit einer Zusammenführung dieser Neuinterpretation des Goblins, in Form des Internetphänomens Goblincore sowie erweiternd Einflüssen aus der "Digital Culture" und der politischen sowie philosophischen Strömung des "Anarcho-Primitivism" auseinandersetzen.
Durch den Aufbau einer interdisziplinären Performance, die sich auf die Erzählung in der ersten Person konzentriert, möchte ich einen Charakter realisieren, dessen Absicht es ist, das Vokabular des antikapitalistischen Kampfes im performativen Kontext zu übersetzen und zu einer zeitgenössischen Dramatugie zu gelangen, die durch technisches, emotionales und kollektives Wachstum definiert ist. Ziel dieses Stücks ist es ein politisch ästhetisches Alter Ego zu entwickeln, welches sich an der Figur eines Goblins orientiert.
Inspiration zu dieser Stilfigur ziehe ich dabei vorrangig aus der Internetsubkultur Goblincore. Diese ist ein Sammelbegriff für einen Lebensstil, der durch popkulturelle Referenzen des Goblins in Videospielen und Film geprägt ist.
Interessant dabei ist die Inkohärenz der Darstellung eines Goblins, der einerseits sich im stetigem Kampf befindet (sh. das Tabletop-Spiel Warhammer 40k, Herr der Ringe) andererseits ein Unterdrücktes dennoch Hilfreiches Wesen ist (sh. Rumpelstilzchen, Dobby aus Harry Potter). Die Komplexität und Undefinierbarkeit bietet somit Freiraum zu experimentieren.
Der Aufbau des Stückes orientiert sich, definiert durch die Refernzzeit des Goblins, die sowohl in unserer Digitalisierten Zeit als auch im Ursprung dieser Folklore Figur im 19ten Jahrhundert zu verorten ist, an einer experimentellen Oper.
Dabei wird Zusammen mit Musiker*innen von dem Musiklabel Czarnagora versucht meine un- trainierte Stimme durch technische Hilfmittel zu Operngesang zu modellieren und auf Basis einer Strukturierten Live Improvisation mit mittelalterlichen Instrumenten, wie z.B. dem Spinett und digital erzeugter und arrangierter Musik ein emotionales Spannungsfeld aufzubauen. Neben dem kommt es zu definierten, dramaturgisch gesetzten Tänzerischen und Gesanglichen Interventionen.
Zum Aufbau dieser Live Improvisation ist es wichtig jeder*m Performer*in eine klare Rolle zuzuordnen. Diese werden sich in der zwei wöchigen Probenphase durch das Intensive Auseinandersetzen mit der Struktur des Opernorchester herauskristallisieren.
Des Weiteren wird bei der Erarbeitung des Stückes großer Wert auf die Konstruktion des Raumes gelegt. Dabei werde ich zusammen mit der visuellen Künstlerin Marie Matusz eine Schul-Oper
inszenieren in welcher die Musiker*innen integriert sind und als Objekte verstanden werden. Mit Materialen wie Aluminium, welche häufig im Bau verwendet werden, werden umgewandelt in Symbole aus der Natur. Damit wollen wir aufzeigen wie wir bereits im frühem Kindesalter gelehrt bekommen allem eine Rolle zuzuordnen.
Beautiful Troublemakers - Goblins von heute
Das Fabelwesen Goblin ist eine Stilfigur, die hauptsächlich in der europäischen Folklore auftaucht. Erste Aufzeichnungen lassen sich auf das späte Mittelalter zurückführen, sind aber auch bis in die heutigen Zeit zu finden. Neben theaterhistorischen Verbildlichungen, wie „Puck” im Sommernachtstraum, lassen sie sich auch in moderner Fiktion wie in J.R.R. Tolkiens „Herr der Ringe” oder den sogenannten Tabeltop-Spielen wie „Warhammer 40k” finden. Abhängig von dem jeweiligen kulturellen Umfeld und Art der Geschichte, in der Sie vorkommen werden ihnen verschiedene Attribute zugesprochen. In dem Stück „to grass” widme ich mich der Frage, wie die Figur des Goblins in unserer heutigen modernisierten Gesellschaft dargestellt werden kann und inwiefern sie sich als eine Stilfigur des antikapitalistischen Kampfes sowie wie ästhetisches Sinnbild für die Generation Z neu interpretieren lässt.
Goblins und Antikapitalismus
Inspiration dafür findet sich in der erstmals 2019 auf Tumblr aufgetauchten Internetästhetik „Goblincore”. Als Weiterentwicklung der „Dragoncore”-Ästhetik handelt es sich dabei um ein subkulturelles Phänomen, dessen Kern durch den Wunsche geprägt ist, wie Goblins leben zu wollen. Eine wichtige Grundlage ist das Ansammeln und Wertschätzen von Objekten, auch genannt „Shinies”, die normalerweise als hässlich oder unbrauchbar identifiziert werden. Goblincore kreiert dadurch einen überarbeiteten Fokus auf Materialität, in welchem Objekte durch die Interaktion und Wertschätzung eines Individuum ihre Wertigkeit erhalten im Gegensatz zu Objekten, deren Wert in erster Linie durch ein ökonomisches System von Währung, Handel und Kapital definiert wird. Zusätzlich werde ich Teile der Darstellung der Goblins in dem Tabletop-Spiel, später auch Videospiel „Warhammer 40k” übernehmen. Mit der Devise „THERE IS ONLY WAR” beschäftigt sich das Spiel bereits seit 1987 mit einer dystopischen Zukunft, in der verschiedene Völker um ihr Überleben kämpfen. Wie auch in unserem kapitalistisch neoliberalen System, in dem das Gesetz des Stärksten zählt gibt es in diesem Spiel keine Gnade und keinen Aufschub. Es verbildlicht dadurch auf eine sehr radikale und kritische Art und Weise die ökonomische Struktur in der wir uns tagtäglich bewegen.
In Warhammer ist die Spezies der Orks, darunter auch die Goblins, im Gegensatz zu den anderen Völker staatenlos und sehr autonom strukturiert. Sie besitzen dadurch keine finanziellen Ressourcen oder System, durch das ihre Waffenproduktion unterstützt werden könnte. Ohne große Vorkenntnisse, weil Bildung in einer solchen dystopischen Zukunft keinen Wert mehr hat, bauen sie sich ihre Waffen aus gesammelten Überresten anderer Spezies zusammen. In Fankreisen wird davon ausgegangen, dass diese auch nur funktionieren, weil die Orks einen extremen Glauben an diese Waffen besitzen. Dieser Glaube unterstreicht für mich die Hingabe und das Potenzial, mit welcher der Kampf aus einer ausweglos erscheinenden Situation geführt werden muss und stellt somit eine Analogie dar, zu dem Versuch aus unseren tradierten kapitalistischen Strukturen auszubrechen.
Als weitere Inspirationsquelle für die Kontextualisierung und Inszenierung des Goblins dient mir das Spiel „GURPS Goblin“. Bei „GURPS“ handelt es sich um ein Erlebnisrollenspiel, auch klassifiziert als Simulationismus, in welchem das aktive Entdecken, Erforschen und Simulieren in einer nur auf wenigen Regeln basierenden Welt das Ziel ist und auch in meiner Performance soll das Buch „Postcapitalism – A Guide to our future“ und der in ihnen beschriebenen Abläufe simuliert werden. Anhand von „GURPS Goblins“ lassen sich außerdem, insbesondere durch die 140-seitige Regelerweiterung, einige grundlegende Thematiken und eine genauere Verbildlichung der Goblins herleiten. Das Spiel ist in dem zeitlichen Kontext um 1830, also kurz vor Beginn des viktorianischen Zeitalters, verortet. Folgt man Paul Mason in seinem Buch „Postcapitalism“ seiner Argumentation, dann ist dieses Zeitalter, aufgrund der dort hervorgebrachten technologischen Neuerungen, auch der historische Startpunkt des Kapitalismus.
Goblins, „gender identity“ und die Generation Z
Die Goblins sind grundlegend androgyne Wesen. Erst im Alter von 14 Jahren wählen sie ihr Geschlecht basierend auf externen Faktoren, wie was gerade weniger vorhanden oder aktueller ist, selbst aus. Deshalb gibt es bei ihnen keine soziale Diskrimierung basierend auf dem sozialen Geschlecht. Des Weiteren werden Goblins auch nicht auf physische Art und Weise gezeugt. Proles, wie der Goblin Säugling genannt wird, ist nur aus Teilen der Mutter kreiert, welche allein durch die Stimulation verschiedener Drüsen und kreative Prozesse schwanger wird. Proles besitzen keine Ähnlichkeiten zu ihrer Mutter und werden eher als Bürde gesehen, was dazu führt, dass die Idee der biologischen Familie und der Familientradition nicht existiert. Aus diesem fehlenden Fokus auf tradierte biologische Strukturen lässt sich ein klares Gegenkonzept zu dem in unserem System sehr präsenten Problematik des Nepotismus,, der "Vetternwirtschaft" ableiten und ist somit ebenso ein wichtiger Teil des antikapitalistischen Kampfes.
Aber vor Allem verstehe ich diese Thematik rund um den Gender-Diskurs, neben der kritischen Haltung zu kapitalistischen Strukturen, als ein zentrales Merkmal der Generation Z und erarbeite deshalb das moderne Bild des Goblins als eine repräsentative Darstellung dieser Generation.
Den Goblin verstehe ich somit als Ausdruck eines Zeitgeistes, der geprägt ist durch den technologisch vermittelten einfachen Zugriff auf Informationen, mit Google und Co, und ein dadurch verstärktes politisches Bewusstsein.
Goblins die „beautiful troublemakers“
Als letze Referenz werde ich mich mit dem Gedicht "Goblin Market" von Christina Rossetti auseinandersetzen. Es ist eines der am meisten diskutierten und analysierten Gedichte der viktorianischen Zeit. Eigentlich für Kinder geschrieben behandelt es, neben Themen wie Schwesternschaft und Abhängigkeit, auch bereits die Thematik rund um die Gefahren des Marktes. Die Figur des Goblins ist allgegenwärtig in dem Gedicht. Sie sind Objekt der Neugier und des Verlangens und die exotischen Früchte, die diese in dem Gedicht verkaufen fungieren als Metapher für die verbotenen Lüste, die die junge Frauen dazu bringen die Grenzen des „akzeptablen“ weiblichen Benehmens der damaligen Zeit zu überschreiten. Die Goblins werden als böse, tierähnliche Wesen dargestellt. Diese animalistischen Merkmale sind Ausdruck ihrer wilden Überzeugungen sowie ihrer Leidenschaft. Wie Tiere sind sie unberechenbar und können in Situationen der Not kämpferisch sein. Die Tatsache, dass Sie weder völlig menschlich noch animal sind, betont ihre Unbändigkeit und Undefinierbarkeit. Rossetti legt sich auf keine symbolische Bedeutung für die Goblins und die Früchte fest und ihr ambivalenter Umgang mit diesen verschlüsselt sie als vertraut und bedrohlich zugleich. Dies bietet mir eine weitere perspektivische Grundlage, auf der ich meinen Goblin Charakter aufbauen werde.
Zur gleichen Zeit, wie das Gedicht von Rossetti wurde auch die erste Ausgabe von „Das Kapital“ veröffentlicht. Paul Mason schrieb in dem Unterkapital „Was Marx right?“, dass die Thematiken, die Marx beschrieben hat, Produkt seiner Zeit waren und er nicht mit den großen Phänomenen des einundzwanzigsten Jahrhundert rechnen konnte. Daraus folgend werde ich mich auch nicht mit einer weiteren Interpretation bzw. Analyse Rossettis Stück befassen, sondern mich hypothetisch mit der Weiterentwicklung und Rekontextualisierung der von ihr beschriebenen Goblinfigur beschäftigen. Wie lässt sich diese Narration in die heutige Zeit übersetzen und in die Bühnensituation überführen? Sind sie vielleicht die, von Paul Mason in seinem Buch beschriebenen, durch Informationstechnologie determinierten „beautiful troublemakers“? Sind sie gar die Generation Z?
Bühnenbild
Der Raum spielt eine wichtige Rolle in dieser Performance spielen. Die Bühne soll der Kontextualisierung der Figur helfen und dem Zuschauer dadurch einen intimeren Zugang zu der Thematik geben. Des Weiteren dient das Bühnenbild dazu die angesprochenen Thematik in künstlerischer-abstrakter Weise zu vertiefen.
Musik
Zusammen mit den Künstler*innen Caterina de Nicola, Valentina Demicheli, Jamira Estrada und MIaoh Zhao wird mit Hilfe struktureller Eigenschaften aus der Barock Oper eine musikalisch improvisierte Live Performance erarbeitet. Das Opern Orchester ist abstrahiert durch elektronische Instrumente dargestellt. Erweitert wird das Orchester durch das Spinett, das der musikalischen Darbietung einen mittelalterlichen Touch gibt. Dabei verfließen die Linien zwischen traditioneller und moderner Musik, die ebenso in meiner Thematik zu finden sind. Mit Hilfe elektronischer Effekte wird Caterina de Nicola meine Stimme zu Operngesang modellieren. Inspiration ziehe ich hierfür aus der Darbietung des Liedes „Death Song“ aus Henry Purcells Oper Dido und Aeneas von Klaus Nomi. Ein traditionelles Stück, das in einem popkulturellem Rahmen Aufmerksamkeit erlangte.
Tickets und preise
Tickets |
Preis |
Volles ticket |
CHF 20.00 |
Mitglieder ticket |
CHF 15.00
|
Jgdl/Studenten ticket |
CHF 15.00 |